Gedanken für den 29. April 2020 - Wenn Gott will und wir leben

Wohlan nun, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen –, und wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Dunst seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.

(Jakobus 4,13ff)

Es ist ein großes Glück, dass ich die meiste Zeit meines Lebens nicht nur Pläne für die Zukunft machen, sondern diese meistens auch halbwegs umsetzen konnte. Wie wenig selbstverständlich eine – zumindest halbwegs – vorhersehbare Zukunft ist, wird mir dieser Tage sehr deutlich.

Ist es besser nichts über die unmittelbar bevorstehendes Tage hinaus zu planen, da diese Zeit ohnehin kaum absehbar ist? Oder sollte ich möglichst für alle denkbaren Eventualitäten Pläne und Konzepte entwickeln, damit ich so gut wie eben möglich gewappnet bin? Natürlich habe ich weiterhin Pläne und Hoffnungen für morgen, übermorgen und überübermorgen – Ideen für die Arbeit in der Gemeinde, Ideen für die Familie, für Besuche und Treffen usw. Aber was davon wie umsetzbar sein wird, das weiß ich nicht. Das ist schwer zu auszuhalten und sehr ungewohnt für mich. Zugleich wird mir bewusst, welcher Luxus es war, Pläne umsetzen und Zukunftsziele erreichen zu können. Wieviele Mitmenschen anderswo auf der Welt und wieviele zahllose, die vor mir gelebt haben, konnten kaum über die nächsten paar Tage planen?

"Was macht ihr Pläne über Jahre und wisst nicht, was morgen sein wird?", fragt der Jakobusbrief. Am Beispiel der Händler wird das menschliche Planen für eine unvorhersehbare Zukunft beschrieben und kritisiert. Im Jakobusbrief wird nicht empfohlen, für alle möglichen Eventualitäten im vorraus zu planen. Aber es wird auch nicht das Planen an sich verworfen. Nur die unhinterfragte Gewissheit, dass es so kommen wird, wie man es sich vorstellt, die stellt Jakobus in Frage. Was ist euer Leben? Was weiß ich schon von der Zukunft? Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun. Klar darf, soll vielleicht sogar, ich Pläne machen, aber ich soll dabei berücksichtigen: Das Leben ist unvorhersehbar und die unverfügbar. Ob es so kommt, wie ich denke (und wie ich will erst recht), liegt nicht allein in meiner Hand.

Die Einschränkung "wenn der Herr will" sollte man meines Erachtens nicht so drohend verstehen, wie ich als Kind die Zeile des Gutenachtliedes "Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt" verstanden habe. Natürlich will Gott, dass ich lebe. Und auf jeden Fall will Gott nicht, dass ich sterbe oder dass irgendjemand stirbt. Und dennoch steckt ein Stück Gnade im gelingenden Leben, im Eintreten von erstrebter Zukunft. Außerdem markiert das "wenn Gott will" das Fragezeichen, das hinter allem menschlichen Tun und erst recht hinter menschlichem Planen steht. Von welch kosmischem Kräftemessen die Zukunft auch immer abhängen mag, in meiner Hand liegt sie jedenfalls nur ein ganz kleines bisschen – sogar meine eigene Zukunft.

Zuletzt noch eine Beobachtung von der Satzstellung her. Die Reihenfolge, die Jakobus vorgibt ist:

Erstens – wenn Gott will

Zweitens – werden wir leben

Drittens – und dies und das tun

Nicht nur konkrete Pläne (dies und das tun) stehen unter Vorbehalt, schlicht das eigene (weiter-)leben steht unter Vorbehalt. Nicht nur die Umsetzung konkreter Pläne ist eine Erfahrung von Gnade und Geschenk Gottes. Das eigene Leben und Weiterleben ist es zuallererst. Die Hauptsache ist erstmal, dass ich lebe und dass wir alle leben. Auch und gerade das ist Gnade und Geschenk Gottes.

Wie wird es? Jakobus erinnert mahnend daran, dass ich es zwar gewohnt sein mag, in Monaten und Jahren vorauszudenken. Aber diese Gewohnheit ändert nichts daran, dass ich weder den nächsten Tag noch das nächste Jahr in meiner Hand habe. Ich darf schon planen, soll es sogar. Aber dabei nicht vergessen, dass es auch ganz anders kommen kann. Diese Demut vor der Zukunft lerne ich – wie viele andere und wie vielleicht die ganze Gesellschaft – gerade auf die harte Tour.

(Pfarrer Steffen Barth)