Gedanken für den 4. April 2020 - Gutes aus der Krise

Wieviel Gutes und was für Chancen stecken in dieser Krisenzeit? In den vergangenen Tagen habe ich viel mit Leuten telefoniert und gesprochen und fast alle haben betont, was diese Zeit an Gutem mit sich bringt, was für Chancen oder Hoffnungen für die Gesellschaft und die Welt sie mit dem Corona-Virus verbinden. Es fällt mir schwer, das so stehen zu lassen und viel denke ich an diejenigen, die die Krise furchtbar hart trifft – an einsame, alte oder kranke Menschen, an Menschen mit Geldsorgen, mit Existenzangst, mit familiären oder psychischen Problemen und viele andere. Aber sogar die alten Gemeindeglieder, die ich anrufe, betonen, dass es ihnen gut geht, dass sie sich über die Fürsorge und Anteilnahme freuen und wie wichtig es sei, dass alles etwas langsamer und reduzierter abläuft.

Hier eine – unvollständige! –  Liste, von positiven Nebenwirkungen der aktuellen Situation, die mir Menschen berichtet haben:

  • Familien verbringen Zeit miteinander
  • Telefon und moderne Kommunikation verbinden Menschen über räumliche Trennung hinweg
  • Online-Brettspiele-Plattformen sind sehr gefragt
  • Hilfsangebote für Hilfsbedürftige werden organisiert
  • Man sorgt und kümmert sich umeinander
  • Die Schadstoffbelastung geht spürbar zurück
  • Man hat Zeit – zum Kochen, für die Gartenarbeit, füreinander
  • Menschen, bei denen immer der Anrufbeantworter 'rangeht, sind plötzlich erreichbar
  • Paare verbringen Zeit miteinander
  • Lange aufgeschobenes wird endlich angepackt
  • Hilfs- und Spendenaktionen werden organisiert

In seinem selbstformulierten Glaubensbekenntnis schreibt Dietrich Bonhoeffer: „Ich glaube, dass Gott aus allem (!), auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.“ Bonhoeffer, der unter der Nazi-Diktatur gelitten hat, hatte dabei v.a. menschengemachtes Böses im Sinn, aber Krankheit und Leid gehört ebenfalls zum Bösen. Sogar daraus, so Bonhoeffer, kann Gott Gutes entstehen lassen – und er tut das auch! Damit soll und darf nicht gesagt werden, das Böse käme von Gott oder das möglicherweise daraus entstehende Gute legitimiere das Böse. Aber Gott, der Leben aus dem Tod entstehen lässt, wirkt eben auch in den schlimmen Geschehnissen der Welt und ermöglicht neues Leben.
Noch immer und dennoch fällt es mir schwer, die gute Seite der Dinge so zu betonen gegenüber all den schrecklichen Folgen. Aber vielleicht gehört es zur ambivalenten Welt und ich muss mich dem stellen: Es ist vieles schrecklich und dennoch sind manche Nebeneffekte auch positiv zu beurteilen.

Ich will damit wie gesagt nicht dazu aufrufen, „das Beste draus zu machen“ und habe großes Verständnis für alle, deren Situation kaum oder keine positiven Nebeneffekte aufgrund der Corona-Krise erhalten hat. Zugleich freue ich mich für alle, für die diese Zeit nicht nur furchtbar ist, sondern auch das eine oder andere Schöne enthält. Nach Bonhoeffers Bekenntnis lässt Gott das Gute aus dem Bösesten übrigens ausgerechnet durch Menschen entstehen. Und zwar durch solche Menschen, die sich alle Dinge zum besten dienen lassen – von Gott dazu mit der nötigen Widerstandskraft ausgerüstet. Die wünsche ich uns allen!

Ich glaube, dass Gott aus allem,
auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber ergibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben
müsste alle Angst vor der Zukunft
überwunden sein.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer
nicht vergeblich sind,
und dass es Gott nicht schwerer ist,
mit ihnen fertig zu werden,
als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige Gebete
und verantwortliche Taten
wartet und antwortet.
    (Dietrich Bonhoeffer)

(Pfarrer Steffen Barth)