Gedanken für den 11. April 2020 - Fasten für alle

Es ist eine besondere Passionszeit in diesem Jahr.

Es ist, als nähmen wir alle an dem  einem  großen Projekt „Exerzitien im Alltag“ teil. Über Konfessions-, Religions- und Ländergrenzen hinweg – also wahrhaft ökumenisch! - müssen wir unseren Alltag neu gestalten, neue Schwerpunkte setzen.
Und alle machen mit bei der einen Fastenübung : Verzicht auf Nähe zu unseren Mitmenschen, Abstand halten, einander fernbleiben.

Auch unser kirchliches Leben ist auf den Kopf gestellt.

Feiern wir normalerweise am Palmsonntag große Gottesdienste, in denen wir uns an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnern; führen uns die Jubelrufe, das Gedränge und Geschiebe in den Straßen von Jerusalem vor Augen, gehen danach mit anderen spazieren, essen miteinander, unternehmen etwas...

Und heuer? Die Kirchen nur zum stillen Gebet geöffnet, die Straßen leer, auf den Spazierwegen einzelne, manchmal zwei oder eine Familie, alle bedacht Abstand zu halten zu den vorüber Gehenden. Videobotschaften, Fernsehgottesdienste, virtuelle Gemeinschaft...

Am Gründonnerstag erinnern wir uns an Jesu letztes Abendmahl mit seinen Freunden – allein in diesem  Jahr. Danach sitzen wir nicht mit Freunden um den Tisch beim gemeinsamen Essen wie sonst.

Auch für das Osterfest werden wir neue Formen finden müssen. Es wird anders sein als sonst: Ohne Festgottesdienst, ohne Osterfrühstück im Freundeskreis, gemeinsames Eiersuchen, Osterspaziergänge mit anschließender Einkehr....
Es wird alles anders sein und doch gilt: Der Herr ist auferstanden! Das Leben ist Stärker als der Tod.

Aber am Karfreitag, da fallen die Situation Jesu und der Jünger mit unserer zusammen: die Jünger vereinzelt, Jesus einsam am Kreuz in äußerster Verlassenheit; alle anderen auf Abstand, sogar seine nächsten Angehörigen , so wie es auch uns empfohlen wird.

In seiner Not wendet Jesus sich mit Worten des 22. Psalms an Gott:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“

Wenn ich Jesu Passion bedenke,
dann sehe ich dieser Tage die Bilder von Intensivstationen in Italien;
die Lastwagen, die die einsam Verstorbenen abtransportieren;
die Krankenhausgänge voller Patienten in Spanien und USA;
die Menschen in den Heimen isoliert, ohne Außenkontakte;
die Flüchtlinge in Griechenland in den jetzt geschlossenen Lagern …
Sie alle der Krankheit und der Einsamkeit ausgeliefert.
Ich denke auch an die Schwestern, Ärzte und Pfleger, die jetzt übermüdet und am Rand ihrer Kräfte den Kranken dienen wie einst die heilige Veronika und Simon von Kyrene Jesus dienten.

In ihnen allen sehe ich den leidenden Christus.
In ihm erkenne ich sie alle und auch mich wieder in meiner Angst.

Wann,
wenn nicht
um die neunten Stunde
als er schrie
sind wir ihm
wie aus dem Gesicht geschnitten.
Nur seinen Schrei
nehmen wir ihm noch ab
und verstärken ihn
in aller Munde.
Brüste sich
wer da will
mit seinem Mut
der Verzweiflung;
meine Angst
kann sich sehen lassen.

Eva Zeller, EKG 89

Wir wissen nicht, wie lange das Exerzitium des Abstandhaltens noch andauern wird und wie wir es bewältigen werden. Aber wir dürfen darauf vertrauen, dass wir nicht allein sind auf unserem Weg,
Gott selbst geht mit. Er lasse uns all unsere Erfahrungen - gute wie schlechte - zum Segen werden.


(Anke Schopf)